4.600 Meter Höhe.. Da war sie wieder die „Höhenkrankheit“ mit der ich erstmals in Puno, nahe der Grenze zu Bolivien und am Ufer des Titicacasees Bekanntschaft machen durfte. Nun, einige Wochen Später erwies sie mir ein erneutes Mal die Ehre. Dieses Mal in Quito. Besser gesagt auf Quitos Hausberg, dem Vulkan Pichincha.. Aber von Anfang an..
Von Lima aus ging es für einige Tage nach Ecuador, um eine Freundin zu besuchen und ein wenig ecuadorianische Luft zu schnuppern. Nur, dass diese auf + 3.000 Metern Höhe etwas dünn ist und unweigerlich zu Kopfschmerzen und leichter, aber währender Übelkeit führt. Zum Glück gewöhnt sich unser Wunderwerk namens Körper aber recht schnell an die neuen Bedingungen und nach 1-2 Tagen geht es einem schon wieder erheblich viel besser. Also erschien es meiner Reisebegleitung und mir an der Zeit, die Anforderungen wieder etwas zu erhöhen und dem ganzen einige Höhenmeter drauf zu setzen.
Mit dem TelefériQo (Zusammensetzung der beiden Worte teleférico und Quito) befindet man sich in kurzer Zeit ein gutes Stück höher auf rund 4.100 Meter Seehöhe auf einem der Vulkangipfel des Pichincha, dem Rucu Pichincha. Bereits der Blick aus der Seilbahn ist atemberaubend. Oben angekommen gibt es eine moderne Bergstation, in der man sich von mäßig guter Gastronomie versorgen lassen kann. Als Besonderheit hat man hier die Möglichkeit, sich eine Portion Sauerstoff zu kaufen. Der kann auf der Station in unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen erstanden werden. Wir lehnten dankend ab, empfanden die Möglichkeit aber durchaus als belustigend und einzigartig.
Nun galt es sich zu entscheiden, ob uns der bereits wunderschöne Ausblick von der Bergstation ausreichte, ob wir uns auf die rund dreistündige Wanderung bis zum Gipfel begeben wollten oder, ob wir es uns etwas bequemer machen wollten und auf Pferderücken die Strecke bis zum Gipfel zurücklegen sollten. Ein kurzer Blick genügte und wir waren uns einig. Nach kurzem Fußmarsch erreichten wir die Pferderanch.
Quito: Reiten in Ecuador
Als erstes vergewisserten wir uns, dass sich die Tiere in gutem Zustand befanden und ihre Haltung wenigstens mehr oder weniger unseren Vorstellungen entsprach. Während wir die Pferde betrachteten trat einer der Rauchmitarbeiter an uns heran und fragte nach unseren Plänen. Wir fragten, ob es so kurzfristig noch möglich sei, eine Reittour zu buchen. Er verschwand und tauchte wenig später mit einem älteren Herren wieder auf. Dieser erkundigte sich nach unseren Reiterfahrungen. Bis heute sind wir nicht sicher, ob unser Spanisch an dieser Stelle der Konversation zu dem Missverständnis führte. Wir befanden uns nämlich einige Minuten später bereits auf dem Rücken zweier Pferde. Die Tour sollte anfänglich von einem Mitarbeiter begleitet, um danach von uns allein fortgesetzt zu werden. Etwas zweifelnd und gleichzeitig etwas zu selbstsicher was unsere Reitkünste anbelangte, erschien uns das aber im Rahmen des Möglichen zu liegen und wir willigten ein. Für die mehrstündige Tour zahlten wir umgerechnet etwa 25€.
Und so ritten wir anfangs in nur mäßigem Tempo durch die Landschaften des Vulkans Pichincha in Ecuador. Der höchste Punkt, den wir auf unserer Tour erreichten lag auf 4.600 Metern. Der Blick auf die Vulkankrater, die endlosen grünen Hügellandschaften und Quito Stadt als Miniaturversion von hier oben war wunder- wunderschön. Uns boten sich die schönsten Fotomotive und die Zeit verging wie im Flug. Unsere Pferde spielten auch wunderbar mit und trotz uns wenig erfahrenden Reiter klappte alles ganz gut.
Kurz nachdem wir das stolz feststellt und uns natürlich längst sicher genug gefühlt hatten, um uns von dem Ranchmitarbeiter im Galopp zu verabschieden, schlug die Laune eines der Pferde um. Und so sah ich übersetzt gesagt wenige Sekunden später nur noch Rauchwolken. Das Pferd meiner Begleitung war durchgegangen und raste mir ihr in einem Affenzahn Richtung „Zuhause“. Ahnungslos, wie ich ihr helfen könnte, spürte ich leichte Panik in mir aufsteigen. Was machen wir, wenn sie sich jetzt ernsthaft verletzt? Wie lang es wohl dauert bis wir im Tal und in einem Krankenhaus sind? Wie gut ist die medizinische Versorgung in hiesigen Krankenhäusern? Vielleicht käme ein Rettungshelikopter in Frage? Sollte ich noch brüllen, sie solle abspringen? Ich entschied mich dagegen.. es wäre ohnehin zu spät dafür gewesen.
Obwohl ich kurz überlegt hatte, zu versuchen, mich ihrem Tempo anzupassen und hinterher zu jagen, entschied ich mich letztlich auch dagegen. Helfen hätte ich ihr ohnehin nicht können. Also ritt ich in meinem Tempo zurück zur Ranch. Zum Glück war es nicht mehr allzu weit und nach etwa 20 Minuten erreichte ich mein Ziel. Schon von Weitem erkannte ich meine immerhin noch aufrecht stehende Freundin. Sie war nahezu unbeschadet mit einem riesen Schrecken davon gekommen. Sie konnte sich bis zum Erreichen der Ranch auf dem Rücken des Pferdes halten und wurde nur bei Ankunft unsanft abgeworfen. Dabei ist ihr nichts passiert. Das Heimweh des Pferdes war wohl zu groß. Wenig später erfuhren wir auch weshalb. Unmittelbar nach Ankunft eilte ein Fohlen herbei. Wir hatten unwissentlich seine Mutter entführt und unsere Wut über den unberechenbaren „Aussetzer“ des Tiers wandelte sich in ein schlechtes Gewissen.
Wir einigten uns darauf, das Ganze nach Rheinischem Grundgesetz unter „Et hätt noch immer jot jejange!“ abzuhaken und machten uns auf den Heimweg mit dem TelefériQo. Und so ging ein spannender, nervenaufreibender, aber gleichzeitig wunderschöner Tag in Ecuador zu Ende.