Habt ihr euch auch schon einmal gefragt, wie das Leben in Südamerika so aussieht? Vor welchen Herausforderungen man plötzlich steht oder ob es leicht ist, sich einzuleben? Oder überlegt ihr vielleicht ebenfalls ein oder zwei Auslandssemester in Chile zu verbringen? Im Interview teilt Kati ihre ganz persönlichen Eindrücke mit uns und lässt uns somit ein kleines bisschen teilhaben an ihrer Erfahrung vor Ort.

Hallo liebe Kati, erzähl uns am besten erst einmal wer du bist und was du so machst?

Hey, ich bin Kati, 24 Jahre alt und studiere Übersetzen und Dolmetschen in Leipzig. Zurzeit mache ich ein Auslandsjahr in Chile. Hauptsächlich wohne und studiere ich in Concepción, das ist ca. 500km südlich von Santiago. Ich versuche aber so viel wie möglich vom Land und Südamerika generell kennen zu lernen. Auf meinem Blog Culturholic könnt ihr dazu gerne mehr erfahren. 

Wie bist du heute Morgen in deinen Tag gestartet?

Sehr entspannt. Ich war gestern Abend auf einer super netten Geburtstagsparty mit ganz vielen anderen Auslandsstudis. Es wurde viel gequatscht und wir haben Reisetipps ausgetauscht. Jetzt gerade ist es etwas regnerisch, aber das ist okay. Ich werde mich in meinem Bett einkuscheln und noch ein paar Dinge für die Uni erledigen. 

Auslandssemester Chile

Was hat dich ausgerechnet nach Chile verschlagen?

Hauptgrund für das Land war mein Studium. Da ich im Schwerpunkt Spanisch studiere, wollte ich natürlich in ein Land, in dem Spanisch gesprochen wird. Die Uni Leipzig hat eine Kooperation mit der Universidad de Concepción (UdeC) und ich war eine von drei glücklichen, die ein Stipendium für zwei Semester erhalten hat. 

Ich gebe ganz ehrlich zu, dass ich vor meiner Reise nicht viel von Chile wusste, außer vielleicht dass es das längste Land der Welt ist, Santiago die Hauptstadt ist und sich im Süden um die Grenzen gestritten wird. Umso begeisterter war ich, als ich recherchiert habe und gemerkt habe, wie meine Bucket List immer länger geworden ist. 

Und wie sahen deine Vorbereitungen aus?

Durchwachsen. Für das Visum mussten einige Unterlagen zusammengesucht werden, wie auch für die Bewerbung, das Stipendium an sich und die Immatrikulation an der UdeC. Um andere Dinge, wie beispielsweise die Wohnungssuche habe ich mir noch nicht so viele Gedanken vorab gemacht, da mir gesagt wurde, dass das hier ganz entspannt per Handschlag funktioniert. Was dann auch genauso war.  

Auslandssemester Chile

Wie können wir uns deine ersten 24 Stunden vor Ort vorstellen?

Regnerisch, grau und kalt. Ich bin in Deutschland während einer weiteren Hitzewelle bei 38°C los geflogen und bei 12°C angekommen. Ich habe den letzten Flug von Santiago nach Concepción verpasst, weil wir wegen eines Unwetters bei einem Zwischenstopp in Rosario nicht starten durften. Die Airline hat mir aber ein Hotel inkl. Transfer gebucht und mich auf den ersten neuen Flug am nächsten Morgen umgebucht. Nach 49 Stunden bin ich dann in meinem Airbnb angekommen, hatte 5 Minuten zum Durchatmen und musste sofort weiter in die Uni zu einer Einführungsveranstaltung.

Als ich das erste Mal unter Chilenen gegangen und durch die Stadt gelaufen bin, ist mir aufgefallen, dass es sehr laut war. In den riesigen Malls ist es sehr bunt und vor allen Dingen voll. Emotionsgeladen war ich so oder so, aber die Lautstärke und das Gedrängel haben das ganze noch untermalt. Mein Auslandssemester in Chile startete also ziemlich turbulent.

Ansonsten habe ich die erste Woche mit 3 Pullis, dicken Wollsocken und Tee vor der Heizung verbracht.

Wie riecht es in Concepción?

In der Innenstadt so wie gewohnt. Autoabgase, Frittenfett und zwischendurch eine frische Briese. In den Wohngegenden stinkt es leider manchmal. In Chile gibt es sehr viele Straßenhunde, die sich ihr Fressen aus den Müllsäcken holen, was natürlich Dreck und Gestank hinterlässt. Ich war aber überrascht davon, wie sauber und gepflegt die Hunde alle aussehen. Mein typisches Bild, was ich von einem Köter habe, hat sich hier nicht bestätigt. Mitlerweile streichel ich die kleinen und gebe ihnen sogar Namen. 

Was waren deine ersten Eindrücke und Erfahrungen?

Ich bin froh, dass ich die Landessprache beherrsche. Nur mit Englisch geht hier nämlich fast gar nichts. Auch nicht am Flughafen in Santiago, was mich echt gewundert hat. 

Ansonsten wurde ich von den Chilenen aber super nett empfangen. Sowohl in der Uni, als auch sofort am ersten Wochenende. Man wurde direkt nach Hause eingeladen und hat so super leicht Anschluss gefunden. 

Gab es Überraschungen?

Ja! Die Uni sollte eigentlich am 6. August starten. Wegen Protesten und der Besetzung der Fakultät ging sie aber erst Ende September los. Wir sind aus dem Grund recht spontan in die Atacama Wüste und nach Bolivien gereist. Zwar waren wir ziemlich unvorbereitet und man hätte besser planen können, aber dafür war ich ohne jegliche Erwartungen unterwegs, was quasi vor Ort für eine Überraschung nach der anderen gesorgt hat. 

Hat es lange gedauert bis du dich eingelebt hast? Fiel es leicht?

Dadurch, dass ich nur anderthalb Wochen in Concepción war und danach direkt 3 Wochen gereist bin, war da nicht viel mit einleben. Ab September ging mein Auslandssemester in Chile dann aber langsam richtig los. Ich habe ein Zimmer in einem Studentenheim mit 25 anderen Leuten, sowohl Chilenen als auch weiteren Auslandsstudenten. Da man sich eine Küche teilt – was vielleicht erst einmal schrecklich klingt, aber gar nicht so wild ist – lernt man sich schnell kennen und das Einleben fiel mir leicht. 

Ich bin aber noch gut 6 Wochen jede Nacht um halb vier aufgewacht, sprich mein Jetlag hielt ganz schön lange an. 

Auslandssemester Chile

Wie würdest du die Chilenen beschreiben? Konntest du dich gut integrieren? Oder verbringst du mehr Zeit mit anderen Internationals?

Die Chilenen, die ich bisher kennen gelernt habe, sind alle nett. Ich hatte bis jetzt mit niemandem Probleme und habe auch noch von keinem Konflikt gehört. Man wird zu jeglichen Feiern eingeladen, auch wenn man die Person, die feiert, gerade erst kennen gelernt hat.

Mein Freundeskreis hier ist sehr gemischt. Er besteht sowohl aus Chilenen, als auch aus vielen andere Auslandsstudenten, besonders aus Mexiko und Belgien, aber natürlich auch Deutsche sind dabei.

Catcalling auf der Straße ist allerdings ein unschönes Thema, was hier noch sehr ausgeprägt stattfindet. Gemeint ist damit, dass man als Frau in der Öffentlichkeit sexuell anzügliche und extrem unangemessene Kommentare von Männern zu hören bekommt. 

Welche Teile der Stadt würdest du zum Wohnen empfehlen und warum?

Concepción kann ich zum Leben empfehlen. Als Europäer muss man sich hier nicht groß umgewöhnen. Das Wetter kann man mit dem in Hamburg vergleichen. Morgens scheint die Sonne und man könnte im Top losziehen, aber 2 Stunden später steht auf den Bürgersteigen das Wasser, weil die Kanalisation dem Regen nicht standhält. 

In der Stadt sind ständig irgendwelche Feiern und Feste und auch so ist das Nachtleben sehr ausgeprägt. Zu besonderen Stadtteilen kann ich hier nicht viel sagen. Dass jedes Viertel eine eigene Atmosphäre zu bieten hat, wie ich es aus Leipzig kenne, kann ich von Concepción nicht behaupten.

Was ist dein durchschnittliches Budget pro Monat? Was würdest du als Minimum empfehlen?

Für mein Zimmer zahle ich ca. 250€, was haargenau in meinem Budget liegt. Busfahren und Reisen generell ist hier sehr günstig, sofern man Lust auf das Leben in Hostels hat. Mir persönlich gefällt das Nächtigen in Hostels der Leute wegen sehr. Man findet sofort Anschluss.

Das Essen hier ist aber sehr teuer. Normale Produkte wie Käse, Joghurt und Nudeln kosten das gleiche wie in Deutschland, sobald man mal Abwechslung möchte, muss man tiefer ins Portemonnaie greifen. Sojaprodukte, bzw. Alternative Nahrungsmittel generell sind hier mau und wenn dann nicht günstig. 

Um aber zur Frage zurückzukommen: Was ich monatlich ausgebe, habe ich noch nicht berechnet. Es variiert aber auch total und hängt davon ab, ob ich wieder reisen war oder tatsächlich mal einen ganzen Monat hier „gewohnt“ habe und nur zur Uni gegangen bin. Mindestens 1.000€ sollte man aber zur Verfügung haben. 

Was war dein bisher schönster Moment in Chile?

Falls meine Mutter das hier liest, soll sie den Teil bitte überspringen! 

Wir waren in San Pedro de Atacama und haben einen kleinen Spaziergang durchs Dorf gemacht. Als wir uns für eine kleine Pause in ein Bushäuschen gesetzt haben, hat ein Auto angehalten und der Fahrer hat uns gefragt, ob alles gut sei und wir genug Wasser dabeihätten. Wir haben das bejaht und dachten das wäre es gewesen. Als er dann gehört hat, dass wir Deutsch gesprochen haben, ging das Gespräch aber noch weiter. Er hat uns davon erzählt, dass er in einer Sternwarte arbeitet und sein Chef auch aus Deutschland sei und uns daraufhin auch ziemlich schnell gefragt, ob wir nicht einsteigen wollten, dann würde er uns die Sternwarte zeigen und wir könnten gemeinsam noch einen Kaffee trinken. Wir drei Mädels waren uns ziemlich schnell einig und haben das sofort abgelehnt, weil es uns irgendwie suspekt vorkam. Als sein Chef aber genau in dem Moment angerufen hat und der Mann im Auto uns das Telefon gereicht hat, damit wir mit dem Chef sprechen sollten und ihm so glauben könnten, sind wir nach kurzem Hin und Her dann doch eingestiegen. Auch während der Fahrt hatte ich noch ein ganz komisches Gefühl und war mir nicht sicher, was ich da eigentlich gerade tue. 

Aber turns out: Der Mann hat uns zu der Sternwarte gefahren, wir haben im Garten mit ihm und seinem Chef einen Kaffee getrunken, bekamen unsere persönliche Rundtour durch die Sternwarte und wurden danach wieder nach Hause gefahren. 

Abends als ich im Bett lag musste ich noch einmal lachen über diese gesamte Situation, aber ich war super zufrieden, die Erfahrung gemacht zu haben. 

Auslandssemester Chile

Solche Geschichten kenne ich nur allzu gut aus meinem Auslandssemester in Südamerika. Manche Dinge sollten Mütter einfach besser nicht wissen. Was war der bisher schlechteste Moment?

Die Situation in der Uni nervt ein wenig. Durch die Besetzung verschiebt sich der gesamte Unterricht und ich kann nicht, wie geplant, ab Mitte Dezember reisen, sondern habe noch bis Ende Januar Unterricht und kann dann erst los. Wir waren zwar jetzt schon zu Beginn etwas unterwegs, aber es hätte einfach alles besser geplant werden können, wenn man das gewusst hätte und mehr Zeit gehabt hätte. 

Könntest du dir vorstellen für immer in Chile zu leben?

Nein. Das ist aber einfach eine persönliche Sache. Ich möchte früher oder später wieder in der Nähe meiner Familie sein.

Hast du vielleicht ein paar Insidertipps für uns?

Concepción ist keine Stadt, die vom Tourismus lebt. Es gibt hier zwar ein paar schöne Stadtparks und viele größere Nationalparks, aber wenn man sich entscheidet Chile zu bereisen, muss Concepción nicht unbedingt angesteuert werden. Zum Wohnen ist es dafür sehr entspannt. Insidertipps könnte ich dementsprechend nur für Clubs oder Restaurants geben.

Eine Reise in die Atacama Wüste ist dafür umso mehr zu empfehlen. Vor Ort kann man viele Tagestouren durch unterschiedliche Täler oder Sportaktivitäten, wie Sandboarding buchen, aber auch selbstständig mit dem Fahrrad die Gegend erkunden. Für mich war es das erste Mal, dass ich in einer Wüste war und ich war beeindruckt von der Größe und der Weite. „Na klar, ist ja auch die Wüste!“ könnte man jetzt denken, und dazu auch noch die größte und trockenste der Welt, aber nichtsdestotrotz war ich hin und weg von der Atmosphäre und den total anderen Lebensbedingungen vor Ort. Und wenn man schon einmal da oben ist, sollte man auch den 4-tägigen Roadtrip nach Uyuni in die Salzwüste nach Bolivien machen. Die Tour wird dort an jeder Ecke angeboten. In meinen Augen hat das Land wunderschöne Landschaften zu bieten. 

Auslandssemester Chile Auslandssemester Chile

Was würdest du jemandem sagen, der darüber nachdenkt ebenfalls nach Chile zu gehen?

„Pack deinen Koffer so, dass du für jedes Wetter gewappnet bist!“

„Stell dich auf Instantkaffee von Nestlé ein…“

Und zu guter Letzt: Wenn du Chile in 3 Wörtern beschreiben müsstest, welche wären es?

Gastfreundlich – Wetterabhängig – Wunderschön!

Vielen Dank für deine Zeit und Offenheit! Bis bald Kati!