Wer bist du und was machst du?

Hallo, ich bin Kevin, 24 Jahre alt, und lebe seit dem Ende meiner Schulzeit im Ausland. Momentan lebe ich in Paris, um meinen Bachelor in International Sports Management abzuschließen. Nach dem Ende meiner Schulzeit ging es zunächst 6 Monate nach Australien und dort habe ich die Liebe zum Reisen entdeckt, was mich dazu gebracht hat, ein Dual Degree Programme an der Northumbria Business School in Newcastle anzustreben und damit einhergehend ein Jahr im Norden Englands zu verbringen.

Erzähle uns kurz von dem Land/der Stadt in der du gelebt hast!

England sollte natürlich für die meisten ein Begriff sein, da einige sicherlich schon die Möglichkeit hatten, das Land zu besuchen. Besonders an Newcastle war jedoch die Mischung aus englischen und schottischen Einflüssen, was sich wohl am deutlichsten in der Sprache, Geordie, widergespiegelt hat. Das dies mehr oder weniger nichts mit dem feinen Akzent zu tun hat, den man sich bei Engländern sonst vorstellt, wenn sie etwas hochnäsig „tea time“ sagen, werde ich noch mit einer kurzen Anekdote verdeutlichen:

 Newcastle upon Tyne, so der volle Name, ist stark geprägt von den zwei ortsansässigen Universitäten – Newcastle University und Northumbria. Die ca. 50,000 Studenten machen aus der Stadt einen faszinierenden Ort und abgesehen vom jährlichen Clash of Titans, in der sich die Lager beider Unis in sportlichen Wettkämpfen messen, genießt man als junger Mensch das, sagen wir mal, sehr turbulente Zusammenleben. Sucht man in England nach Newcastle und Party so erfährt man, dass das „größte Partymonster Englands“ auf einer Liste der weltweit besten Partymetropolen den achten Platz belegt – noch vor London. Die Innenstadt ist durchzogen vom sogenannten Eldon Square und einer Mall, die nicht wie ein Klotz das Stadtbild verunstaltet, sondern teilweise in die alten Gebäude eingearbeitet wurde. Das Beste ist daran wahrscheinlich, dass man sich quer durch die Stadt bewegen kann, ohne nass zu werden, sollte es einmal das berühmte englische, nass-kalte Wetter geben. Dazu sei gesagt, dass ich wirklich überrascht war, dass es entgegen aller Erwartung eher selten geregnet hat – der Wind war dafür umso stärker.

Warum hast du dir genau dieses Land/diese Stadt ausgesucht?

Es gibt insgesamt drei wirkliche Gründe, warum es mich dort hingezogen hat. Ich habe ja bereits kurz von meinen Erfahrungen in Australien berichtet und so hat sich ein englischsprachiges Land in der Rangliste der Alternativen für ein Auslandstudium nach oben geschoben. Die anderen beiden Gründe sind eher unspektakulär, da es zum einen um den Dual Degree ging, der nur in England oder den USA angeboten wurde, und zum anderen um die Kosten, die für ein Semester in den USA für mich in keinem Verhältnis standen. Ein netter Nebeneffekt war, dass die meisten Kommilitonen ebenfalls nach Newcastle gingen, da dort der Schwerpunkt Sportsmanagement angeboten wurde – ich selbst entschied mich jedoch für ein Studium im Bereich Accounting and Finance. Auf jeden Fall vermittelte die Gruppe von ungefähr 15 Freunden eher den Eindruck, dass es auf eine Klassenfahrt ging. Dieser Eindruck sollte sich im Verlauf des Aufenthalts bewahrheiten…

Wie waren deine ersten Eindrücke und Erfahrungen? Gab es Überraschungen?

Da ich eher der Typ bin, der noch am Tag der Abreise anfängt seinen Koffer zu packen, habe ich mich ohne große Erwartungen oder Vorurteile nach England aufgemacht. Da ich eine Woche später angereist bin als die meisten und somit die Anfänge der Fresher’s Week verpasst habe, konnte ich von den Erfahrungen profitieren, die meine Freunde bereits gesammelt hatten. Eher ging es erst einmal darum, mein Lager zu beziehen. Dabei entschied ich mich für das aus meiner Sicht beste Preis-Leistungsverhältnis der Unterkünfte mit Fokus auf den Preis, da man ohnehin nur die Nächte in seinen eigenen vier Wänden verbrachte. Die folgenden Tage ging ich das erste Mal zu einem Fußballspiel in Newcastle und durfte direkt neben dem wohl eingefleischtesten Geordie Platz nehmen, den die Stadt zu bieten hatte. Dies war wohl die größte Überraschung, dass ich nichts von dem verstand, was er mir entgegenbrüllte und inständig hoffte, dass es sich um keine Fragen handelte. Wieder einmal ein Beweis, dass englisch nicht gleich englisch ist.

Hat es lange gedauert bis du dich eingelebt hast? Fiel es leicht, sich zu integrieren?

Wie immer, wenn man sich an einen fremden Ort begibt, hängt es viel von den Menschen ab, denen man begegnet. Es sei vorweg gesagt, dass ich das zweite Semester aufgrund dessen auch deutlich vor dem ersten einstufen würde was den Wohlfühlfaktor betrifft. Meine WG bestand zunächst aus einem Griechen, der aufgrund seiner Dreadlocks und seines Vollbarts wie 32 aussah, jedoch gerade einmal 17 war (an seinem 18. Geburtstag hat er sich kurzerhand eine Glatze rasiert), zwei Spanierinnen (eine aus Barcelona, die andere aus Madrid – schlechte Vorzeichen also), einer Tschechin und zwei Deutschen, die deutscher nicht sein konnten. Obwohl ich bzw. meine Kommilitonen keine Erasmus Studenten waren, haben wir versucht über diese Gruppe Freunde zu finden, was auch gut funktioniert hat. Ich würde jedem den Tipp geben, in eine der Sportorganisationen einzutreten, da dies mit Abstand die beste Möglichkeit ist nicht nur internationale sondern auch einheimische Bekanntschaften zu machen. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht mehr so genau, wie die ersten Wochen waren. Es war viel zu organisieren, aber die Uni hat sich gut um uns Fremde gekümmert und es gab wirklich eine breite Palette an Angeboten, um die Stadt und die Studenten besser kennenzulernen.

Wie sind die Menschen dort?

Ich würde sagen, dass Geordies genau so sind, wie man sich junge Engländer eben vorstellt – laut, etwas unangemessen, aber irgendwie drollig. Prinzipiell verhält es sich in Newcastle so, dass sich der Tag, den man als Student erlebt, in zwei Zyklen aufteilt. Da wäre auf der einen Seite das apathische Existieren in den Vorlesungen und auf der anderen Seite das tägliche Nachtleben. In letzterem sind Engländer bekanntlich Spitzenreiter – demnach hat man ein Fenster von ungefähr 5 Stunden, um wirklich etwas mit Einheimischen zu unternehmen. Ich tue mir meistens schwer mit wenigen Eigenschaften die Menschen an den Orten, die ich besuche, zu beschreiben, da es dafür meistens zu viele unterschiedliche Erlebnisse gibt, die mein Bild beeinflussen. Um es einfach zu halten, würde ich sagen, dass man nicht wirklich überrascht wird, wenn man eine ungefähre Ahnung davon hat wie Engländer meistens sind. Ob dies nun positiv oder negativ ist würde ich jedem selbst überlassen.

Hast du irgendwas gemacht, was du dir nie erträumt hättest?

Das ist eine gute Frage, aber anders als in Australien, wo ich eher Dinge gemacht habe, auf die ich stolz sein kann, war das einzige, das mir spontan einfällt, das häufige blau machen im zweiten Semester. Meistens gab der Stundenplan ohnehin nicht mehr als 10 Wochenstunden her, die aber leicht in 10 Minuten nachzuarbeiten waren, sodass ich eher das „soziale Leben“ ausschöpfen wollte. Dies hat zum Glück auch nicht wirklich den Noten geschadet, weshalb ich sagen kann, dass es die „richtige“ Entscheidung war.

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Was war der schönste Moment?

Der schönste Moment beziehungsweise die schönsten Momente gab es definitiv innerhalb der Erasmus Gruppe aus dem zweiten Semester. Wir haben viele Ausflüge nach zum Beispiel Edinburgh oder Dublin zusammen unternommen und man hat sich teilweise in die schönen Seiten der Schulzeit zurückversetzt gefühlt. Viele Abende haben wir gemeinsam in Pubs gesessen und sind anschließend ins Nachtleben aufgebrochen, von dem Newcastle wirklich viel zu bieten hat. Ich empfehle zu diesem Thema einmal den Artikel vom Spiegel zu lesen (http://www.spiegel.de/reise/europa/nachtleben-in-newcastle-england-party-exzess-am-tyne-a-844206.html). Noch heute habe ich viel Kontakt mit den Menschen, die ich dort getroffen habe und wir besuchen uns gegenseitig in ganz Europa. Wenn ich mir einen speziellen Moment aussuchen müsste, dann sicher der, dem jeder Student entgegensehnt – die Abgabe der Thesis. Anschließend hatte ich mit die schönsten Wochen in meinem Leben, da mir die Stadt auch immer mehr ans Herzen gewachsen ist.

Und der Schlechteste?

Der schlechteste Moment war die Abreise und zu merken, dass wieder ein erlebnisreicher Lebensabschnitt zu Ende gegangen ist. Nachdem man sich ein Jahr mit den neugewonnenen Freunden durch das Leben in einem anderen Land gekämpft hat, fiel der Abschied allen schwer. Abgesehen davon gab es wirklich kaum nennenswerte Probleme, die ich wirklich als schlecht betiteln würde.

Welche Städte/Stadtteile sind lebenswert und warum?

Ich selbst habe Nahe am Stadtzentrum gewohnt. Wobei man wirklich sagen muss, dass fast alles irgendwie nahe am Zentrum gelegen ist. An sich habe ich mich nicht weiter als 15 Minuten Fußweg vom Stadtzentrum entfernt, da sich, je weiter man sich entfernt, der Eindruck einer typisch-englischen Arbeiterstadt verstärkt. Am Wochenende lohnt sich aber definitiv ein Trip zum Küstenvorort Tynemouth, der mit typischen Pubs mit Meerblick zu einem Kaffee einlädt. Dort kann man an sonnigen Tagen die Seele baumeln lassen und man vergisst manchmal, dass man sich im sonst so rauen England befindet. Generell kommt es natürlich immer auf den Grund des Aufenthalts an, aber ich würde jedem empfehlen nicht zu weit weg vom Zentrum zu wohnen, wenn man nur für eine begrenzte Zeit die Stadt erleben will. Man sollte jedoch beachten nicht zu nah am Bahnhof bzw. der Partymeile nach einer Bleibe Ausschau zu halten, da man sonst garantiert, unabhängig vom Wochentag, nur schwer Schlaf finden wird.  Für längere Aufenthalte würde ich in Betracht ziehen, sich nach einer Unterkunft im Stadtteil Jesmond umzuschauen, da es dort eine Vielzahl von Bars und Restaurants gibt und die Nachbarschaft aus meiner Sicht etwas gehobener ist.

Was ist das durchschnittliche Budget pro Monat um dort zu leben?

Das kommt auch wieder darauf an, ob man nun in einem Studentenheim wie ich leben will oder lieber ein Appartement sein Eigen nennen möchte. Beides ist nicht gerade billig, jedoch gut kalkulierbar, da man dies natürlich über einen längeren Zeitraum plant. Ich würde sagen, oder das war zumindest mein Eindruck, dass man bei deutschen Preisen einfach das €- mit einem ein £-Zeichen ersetzen kann und man so den ungefähren Preis für alles errechnen kann. Gefühlt war alles gar nicht so teuer, da ich nicht dazu neige, jeden Betrag umzurechnen. Letzten Endes kann man aber pro Tag gute £15 für Lebensmittel einrechnen. Alles in allem kommt es bei den Ausgaben eher darauf an, wie sehr man sich mit der Feierlaune zurückhalten kann. Besonders gut und als Tipp würde ich jedem empfehlen, der länger dort bleibt, große Einkäufe zu tätigen und diese per Lieferung bringen zu lassen, da die meisten nicht mit dem Auto anreisen und man deshalb zu kleinen, teureren Einkäufen neigt. Nachdem ich diesen Service, der zwischen £1 und £4 variiert entdeckt habe, konnte ich meine Ausgaben für Lebensmittel viel besser planen und habe sicherlich einiges sparen können.

Könntest du dir vorstellen zurückzugehen oder dort zu leben?

Tatsächlich bin ich bereits 4 Monate nach meiner Abreise für zwei Wochen zurückgekommen, um mit meinen Freunden die Fresher’s Week, die ich selbst verpasst hatte, einmal hautnah mitzuerleben. Ich habe mich in den etwas schäbigen Charakter der Stadt wirklich verliebt und überlege auch dieses Jahr wieder mit Freunden eine Woche dort zu verbringen, um Erinnerungen und Freundschaften neu aufleben zu lassen. Selbst zurückkehren für einen längeren Zeitraum war für mich aufgrund des guten Angebots für einen Master ein Thema. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dort für einen wirklich längeren Zeittraum zu leben, da es mir zu windig (ich weiß ein toller Grund) und ab einem bestimmten Alter sicher zu studentengeprägt wäre. Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich mich aber zu 100% noch einmal für ein Auslandssemester oder –Jahr in Newcastle entscheiden, da es für Studenten die absolut perfekte Stadt ist.

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Welches ist dein schönstes Souvenir?

Ehrlich gesagt bringe ich so gut wie nie Souvenirs mit nach Hause, da für mich die gewonnenen Freundschaften die beste Erinnerung sind. Ich versuche deshalb auch weiterhin mit allen in Kontakt zu bleiben. Letztes Jahr konnte ich bereits nach Barcelona, Newcastle und, spektakulär, Saarbrücken reisen. Andersrum haben mich Freunde aus Spanien und Holland besucht. Neben Freundschaften stehen selbstredend die Erfahrungen, die ich einmal mehr machen durfte, für die ich sehr dankbar bin und die mich allesamt geprägt haben. Ich freue mich schon auf das nächste Land, in dem ich ein paar Monate verbringen w

Insider-Tipps:

  • Eat4less: Sandwiches und jacket potatoes für einen unschlagbaren Preis
  • Einkäufe liefern lassen
  • Als Student in eine Sportorganisation eintreten
  • Fresher’s Week für Partybegeisterte
  • Keine Pub-Crawls
  • Digital – aus meiner Sicht bester Club der Stadt
  • Restaurants und Bar in Tynemouth
  • Tagesausflüge in die Naturschutzgebiete des Northumberland Parks
  • Wochenendtrip nach Edinburgh (ca. 2h mit der Bahn)

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Vielen Dank Kevin!!